Kultur wirkt.

 

Hans Knopper M.A.

Ein Denkmal für Jan Wellem

Ausstellungszeitung Kunstmuseum Düsseldorf: 
Ein Denkmal für Jan Wellem. Ausstellung für die Düsseldorfer Stadtbezirke.- 
Konzeption und Texte: Hans Knopper, Wilhelm Zacher.- 
8 S., 32 x 23 cm.- 
Laufzeit 1981-1983.-

Text von Hans Knopper:

Jan Wellem als Herkules
Der bergische Löwe, das Wappentier des Herzogtums Berg, hält mit seinen Tatzen einen Frauenkopf mit Schlangenhaar nieder. Es handelt sich um die griechische Furie Medusa. Ihr Blick versteinerte die Menschen. Der griechische Held Perseus schlug ihr das Haupt ab und befreite damit die Menschheit von dieser Gefahr.
Der Feldherrnstab ist ein Hoheitszeichen. In ihm drückten sich Macht, Würde und Kraft des kommandoführenden Fürsten aus.
Schon im antiken Griechenland erhielt der Sieger bei olympischen Spielen einen Lorbeerkranz zum Zeichen des Sieges.
Die aus Kanonen und Fahnen bestehenden Beutestücke (Trophäen) verweisen auf die große Anzahl der unterlegenen Gegner.
Die um seinen Hals gelegte Kette zeigt drastisch die Hilflosigkeit des auf dem Rücken liegenden Kriegers. Er verkörpert die Mächte, über die Jan Wellem siegt.
Löwenfell und Keule sind die Erkennungsmerkmale (Attribute) des antiken Herkules. Mit einer Keule hatte er einen Löwen besiegt. dessen Fell er fortan über den Kopf gestülpt trug. Herkules  war wegen seiner Kraft berühmt und wurde wegen seiner Tugendhaftigkeit bewundert. Hiermit wird auf das "gute Regiment" des Kurfürsten, der das Böse bekämpfte angespielt.
In der linken Hand hält die auf dem Rücken liegende Frau eine Schlange, ihr Gesicht ist zur Fratze entstellt. Mit dem Beil wurde ihr der Kopf vom Rumpf getrennt. Gemeint ist hier die Furie des Unrechts, der das Handwerk gelegt wurde.
Das Schild mit dem Strahlenkranz ist das Erkennungsmerkmal der Verkörperung (Allegorie) der Wahrheit.
Der Orden kennzeichnet Jan Wellem als Mitglied des Ritterordens vom Goldenen Vließ (Widderfell mit einer goldenen Kette). 1687 wurde sie ihm verliehen. Der Träger des Ordens hatte für den katholischen Glauben einzutreten und die guten Sitten zu verteidigen.

Der Sinnzusammenhang
Triumphierend steht der Feldherr Johann Wilhelm auf dem Sockel. Sein Wappentier, der pfälzische Löwe, hält die lasterhafte Medusa nieder.
Die Idee des Sieges  Jan Wellems über die Laster wird am Sockel weiter erläutert. Zwei menschliche Gestalten liegen rücklings auf einem Berg von Kriegstrophäen. Über ihnen tragen drei männliche Gestalten das Podest. Die vordere gesichtslose Gestalt ist besonders gekennzeichnet: Keule, Löwenfell und Lorbeerkranz charakterisieren Herkules. Er hat über die unter ihm liegenden Laster gesiegt. Hilfreich war ihm dabei der Schild der Wahrheit.
Die Regierung Jan Wellems wird so mit dem tugendhaften Kampf des Herkules gegen das Unrecht verglichen. 
Der Kurfürst steht auf dem Felsensockel wie auf der Spitze einer Pyramide. Die Pyramide als strenge geometrische Form kann als Sinnbild für den Aufbau des absolutistischen Staates verstanden werden, an dessen Spitze der Fürst steht.

Die Funktion
Der Verwendungszweck der Statuette des Kurfürsten ist ungeklärt. Einige Forscher meinen, sie sei das Modell. Vielleicht war das Denkmal für einen Platz wie den Düsseldorfer Markt bestimmt? Möglicherweise diente die Statuette aber auch als festlicher Tafelaufsatz, um die Speisenden an die Würde, die Siegestaten und die Freigebigkeit des Gastgebers zu erinnern. Aus der Sammlung des Kurfürsten gelangte die Statuette in die Düsseldorfer Kunstakademie und von dort 1932 in das Kunstmuseum.

Gabriel Grupello - der Künstler
Gabriel Grupello wurde 1644 in Geraardsbergen bei Brüssel geboren. Bei Artus Quellinus dem Älteren in Antwerpen erhielt er seine Ausbildung zum Bildhauer. Während eines zweijährigen Aufenthaltes in Paris und Versailles erlernte er die schwierige Technik des Bronzegusses. Der Stich von Collin zeigt den 39jährigen Grupello löwenmähnig in einem Phantasiekostüm.
1671 ließ sich Grupello in Brüssel nieder. 1683 rühmte der holländische Künstlerbiograph Joachim van Sandrart in seinem Buch "Teutsche Academie der edlen Bau-, Bild- und Mahlereykünste" die Schönheit und Vollkommenheit der Werke Grupellos. Aus dieser Zeit stammt die Marmorfigur der Jagdgöttin Diana. Graf von Thurn und Taxis bestellte sie für den Park seines Stadtpalais' in Brüssel.
Das Marmorstandbild Friedrichs III. hat sehr viel Ähnlichkeit mit der in dieser Ausstellung gezeigten Statuette Jan Wellems.
Die Arbeiten Grupellos gefielen so sehr, daß bald König Karl II. von Spanien, Wilhelm III. von Oranien und der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg zu seinen Auftraggebern zählten.
1695 berief Jan Wellem Grupello als "Hofstatuarius" nach Düsseldorf. Als "Künstlerdirektor" war er für die von zahlreichen Kunsthandwerkern ausgeführten Verschönerungsarbeiten an den Schlössern Jan Wellems verantwortlich. Daneben arbeitete er zahlreiche Bildwerke des Kurfürstenpaares in Bronze und Marmor, wie etwa die Büste der Gemahlin des Kurfürsten.
Nach dem Tode Johann Wilhelms 1716 wurde Grupello aus den Diensten des Hofes entlassen. Von da an existieren von seiner Hand nur noch religiöse Darstellungen: Kruzifixe und Madonnen aus Holz.
1730 stirbt Grupello auf Schloß Ehrenstein bei Aachen.

Der Kurfürst
Johann Wilhelm war etwas über 1,60 m groß, kräftig gebaut und neigte mit zunehmendem Alter zur Körperfülle. Trotzdem war er im Reiten, Fechten, Tanzen und Ballspielen ungemein gewandt.
Hervortretende Augen, eine hohe Stirn sowie ein durch ein Grübchen betontes rundes Kinn lassen auf einen eigenwilligen Charakter schließen.
Er "hat einen weiten großen Mund und eine sehr aufgeworfene dicke Unterlippe", beobachtete der englische Reisende Blainville.

Ein Fürst seiner Zeit
Neben seinen Verwaltungsbeamten engagierte Jan Wellem Maler und Bildhauer. Sie rühmten in Porträts und Denkmälern Jan Wellem als gerechten Landesfürsten. Die aus sechzig Musikern bestehende bestehende Hofkapelle spielte bei Opernabenden, Festlichkeiten und untermalte die öffentlichen Mahlzeiten des Fürstenpaares.
Bei seinen Reisen benutzte Jan Wellem 19 sechsspännige Kutschen. Von seinen Ausfahrten in Düsseldorf berichtete der englische Reisende Blainville, "daß er Leute von solchem Range, als die meisten seiner Kammerherren sind, dergestalt ernidriget, daß sie wie Lakaien, oder besser, wie Wachtelhunde, vor seinem Wagen her und durch die eine Stadt traben müssen, wo man bis über die Knöchel im Koth gehet".
Aus der übertriebenen Geltungssucht Jan Wellems wußten aber auch Scharlatane Kapital zu schlagen. Einer verkaufte ihm für 3000 Taler ein rotes Pülverchen, mit dem angeblich Quecksilber in Gold verwandelt werden konnte. Ein anderer bot ihm eine Tinte an, die so wirken sollte, daß der Empfänger keine damit geschriebene Bitte abschlagen könne.
Da Düsseldorf nur eine kleine Stadt war und die Besitzungen der Pfalz in den Kriegen stark verwüstet worden waren, hatte Jan Wellem ständig Probleme bei der Finanzierung seiner Wünsche. Zunächst setzte er die Steuern herauf, dann vermietete er seine Truppen und schließlich gründete er eine Bank, bei deren Konkurs viele Untertanen ihr Geld verloren.

Politik
Der größte Wunsch Jan Wellems war die Erlangung einer Königswürde. Nachdem sich die Hoffnungen auf das Amt des spanischen Statthalters in den Niederlanden zerschlagen hatten, versuchte er eine Zeitlang König von Sardinien zu werden. Ohne Erfolg!
Da tauchte 1698 ein Gesandter des Fürsten Armeniens in Düsseldorf auf und unterbreitete Jan Wellem einen phantastischen Plan. Er sollte an der Spitze eines ca. 10.000 Soldaten umfassenden Heeres Armenien aus der Hand der Perser befreien. Als Gegenleistung wurde ihm die Köniskrone sowie der Übertritt Armeniens zum Christentum versprochen. Der Kurfürst ließ sich von diesem Plan begeistern und begann mit dem Kaiser, dem russischen Zaren sowie dem Papst die notwendigen politischen Unterhandlungen.
Das aus pfälzischen, kaiserlichen und toskanischen Kontingenten bestehende Heer sollte durch Böhmen, Polen und Rußland nach Moskau marschieren und zu Schiff über die Wolga, durch das kaspische Meer zum Hafen der armenischen Stadt Baku gelangen. Dieser 7.500 km lange Marsch sollte in 5 Monaten bewältigt werden. Der Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges verhinderte die Ausführung des Planes.

Düsseldorf zur Zeit Jan Wellems
Graf Adolf von Berg erhob 1288 die kleine Siedlung in den Rang einer Stadt. Das Stadtprivileg sollte ein Ansteigen der Einwohnerzahl bewirken, um einen starken Stützpunkt gegen die Erzbischöfe von Köln zu erhalten.
Die wirtschaftliche Kraft Düsseldorfs war gering. Neben Köln verhinderten die günstiger gelegenen Städte Neuss, Duisburg und Uerdingen eine rasche wirtschaftliche Entwicklung. 
Seit 1384 nutzten die Herzöge Jülich-Berg Düsseldorf als Residenzstadt. Umfangreiche Festungsanlagen sicherten die Stadt landeinwärts.
Als 1658 Jan Wellem in Düsseldorf geboren wurde, zählte die Stadt 5.100 Einwohner.
Jan Wellem residierte im alten, 1491 ausgebauten Düsseldorfer Schloß direkt am Rhein. Heute erinnert nur noch der Schloßturm an dieses 1872 abgebrannte Gebäude.
Jan Wellem wollte den Gegensatz zwischen der glänzenden Hofhaltung und den bescheidenen städtischer Verhältnissen überbrücken. Außerhalb der alten Stadtmauer kaufte er Land und stellte es 1687 interessierten Bauherren kostenlos zur Verfügung. Für die Grundstücke war im Falle ihrer Bebauung eine 30jährige Steuerfreiheit versprochen. Die zum Schutz der Gebäude erforderlichen Verteidigungswälle wurden wegen Geldmangels nur schleppend gebaut. Daher nahmen nur wenige Siedler die günstige Gelegenheit wahr.
Erst nach dem Tod Jan Wellems wurde ein kleineres Gebiet in die Stadtbefestigung einbezogen.
Unter Jan Wellem wurden auch die Verkehrsverbindungen verbessert. Seit 1699 pendelte die "fliegende Brücke", ein in der Rheinmitte verankerter Ponton, zwischen Düsseldorf und dem linken Rheinufer. Fünf kleine Nachen hielten das Ankerseil über Wasser.
Eine ständige Schiffsverbindung nach Frankfurt und Nijmegen wurde hergestellt, die Postlinien erweitert.
1706 wurden zuerst die Straßen in Düsseldorf, dann die der Umgebung gepflastert. "Steinwege" nach Frankfurt und Holland sollten angelegt werden. Der sichtbarste Luxus waren die 383 Straßenlaternen. Es waren mehr als Paris vorweisen konnte. Leider wurde ihr Betrieb mit dem Tode Jan Wellems wieder eingestellt.

Denkmäler für Jan Wellem
Das 6,50 m hohe Reiterdenkmal ist zu einem Wahrzeichen Düsseldorfs geworden.
Ausgestattet mit dem Kurhut und dem Feldherrnstab, bekleidet mit einer Rüstung sitzt Jan Wellem auf einem ruhig ausschreitenden Pferd. So würdevoll, wie Jan Wellem das Pferd reitet, so sicher lenkt er das "Staatsroß".
Der Guß solcher Bronzeplastiken war finanziell und technisch sehr schwierig. Um so mehr wuchs das Ansehen der Fürsten, der sich diesen Luxus leisten konnten.
Das fast 200 Jahre nach seinem Tod entstandene Denkmal zeigt Jan Wellem als Jäger. In Mülheim war Jan Wellem 1711 Schützenkönig geworden.
Der Bildhauer Eduard Schmitz hat sich von Grupellos Jan-Wellem-Darstellungen beeinflussen lassen. Die Arm- und Beinstellung entspricht der unserer Statuette. Statt des Feldherrnstabes hält Jan Wellem hier ein Gewehr. 

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