Kultur wirkt.

 

Hans Knopper M.A.

Uwe Olsen,  Orten 

Ausstellungskatalog  Galerie Edition Hannappel, Essen:
Uwe Olsen, Orten.- Mit einem Text von Hans Knopper.- 
16 S., 21 x 15 cm.- 
Ausstellung 1995.
Aufl.: 1000 Ex.


Text von Hans Knopper:

Ein nüchterner, allein für die Zwecke des Schauens vorbereiteter Galerieraum bildet den Platz, in dem die jüngste Ausstellung "Orten" von Uwe Olsen sich ereignen kann. Die Ausstellung ist das Ergebnis der Arbeit des Künstlers mit dem, was vor Ort zu übersehen ist. 

Anhalts-, Orientierungs- und Reibungspunkte die der Ort in seinen Proportionen, seiner Verwinkelung, seiner Schachtelung oder seiner Lage in der Stadt bietet, werden nicht zu Ausgangspunkten der Arbeit. In weitgehender Unabhängigkeit von dieser Art des Raumbegreifens finden sich entlang der den Raum begrenzenden Wandflächen kleine Eingriffe und Ausbuchtungen, die sich erst dem suchenden Blick in ihrer Gesamtheit offenbaren, da sie an eher unvermuteten Stellen stattfinden. Zunächst sind sie als ein jeweils lokal begrenzter Eingriff in die Raumsituation erlebbar. Flächen mit leicht unregelmäßigen, organisch wirkenden Begrenzungen, quadratisch, auch bandartig ausgestreckt oder linienhaft gedehnt sind in die Wände versenkt, geben scheinbar dem Druck des Raumvolumens nach außen nach. Andere Formen und Winkel mit glatten Rändern wirken wie einwärts gerichtete Impulse von hinter der Wand wirksamen Kräften. So gesehen sind die Wandflächen die Außenhaut des Raumes, eine Membran, die die Spuren von Energiedurchgängen aufzeichnet.

Der flackernder Umriss der Raumausbuchtungen, Ihr Tasten, setzt sie mit ihrer Umgebung in Bezug, thematisiert ihre Ausdehnung. Lässt sich der Betrachter auf die den Formen innewohnenden Energien ein, wird er über die Farbgleicheit, die räumliche Lage der Einzelformen und ihre Ausrichtung Ähnlichkeiten unter ihnen wahrnehmen und Zusammenhänge spüren. Er folgt damit den verdeckten,  weder definierten noch eindeutigen Gesetzmäßigkeiten der bildhauerischen Arbeit, die plötzlich nicht allein aus der Summe der einzelnen Formelement besteht, sondern den physisch nicht bearbeiteten Raum, das freie Raumvolumen mit einbezieht, ja bei längerer Betrachtung vor allem dort stattfindet. Im Verändern des eigenen Standortes können die Beziehungen, die Kraftfelder zwischen den Einzelelementen wahrgenommen werden. Ausdehnungen, Wölbungen und Felder scheinen plausibel, verändern sich aber schon im Moment des Erkennens. Sie sind flüchtig, aber sie ereignen sich immer wieder neu, bilden ein nicht greifbares organisches Ganzes, das sich strenggenommen im nicht sichtbaren Bereich abspielt. Sichtbar sind allein die Setzungen des Künstlers die den vorhanden Raum anders entstehen lassen und sogar über ihn hinausgehen. 

Die Einzelkosmen, so wie Uwe Olsen sie geschaffen hat, vernetzen den Raum.  Ihre variierenden Größenverhältnisse lassen Senkrechte und Waagerechte des Ausgangsraumes vergessen. Jeder Einschnitt und jede Form hat eigene Größen- und Maßverhältnisse. Das Betrachterauge stellt sich jeweils auf einzelne scharf. Die Stetigkeit und die Gesetzmäßigkeit des gegebenen Galerieraumes wird so außer Kraft gesetzt, er wird frei für die Art von Raumereignissen, mit denen sich Uwe Olsen schon seit einigen Jahren beschäftigt. 1988 schrieb der Verfasser in einem Text über Zeichnungen des Künstlers folgende, auf die Essener Installation übertragen immer noch gültige Bemerkung: "So, wie Uwe Olsen in seinen Rauminstallationen auf das Kraftgefüge eines Raumes reagiert, selbst herbeigeführte Veränderungen in ihrer Auswirkung aufnimmt und den durch seine Installation veränderten Raum an allen Stellen neu definiert und als neuen Raum schafft, so bestimmt er in seinen Zeichnungen eine mögliche Kraft- und Bewegungssituation auf der Fläche. In beiden Medien verhält er sich während des Arbeitsprozesses sowohl impulsiv als auch verhalten. Grundsätzlich reagiert er intuitiv auf die jeweiligen Raumverhältnisse bzw. auf die zeichnerische Situation.

Es geht Uwe Olsen um das von Abbildungsvorschriften und Regeln unabhängige Inbeziehungsetzen von Formen und Zeichen. Erst im Moment ihrer Entstehung bilden sie den Modus ihrer Existenz. Er lässt verdeckte Kräfte zur Wirkung kommen und bringt sie in Zusammenhang. Eine ständig sich neu der gezeigten Gegebenheiten vergewissernde Betrachterhaltung ist Voraussetzung und Bedingung für ein Verstehen dieser eigenen zeichnerischen Welt." Die Essener Arbeit unterscheidet sich von früheren Installationen durch die Sicherheit, die der Künstler bei der Schaffung der Raumverhältnisse erlangt hat. Die möglich gewordene minimalistische Sparsamkeit schafft ein poetisches Stimmungsspektrum, das den Ausstellungsbesucher behutsam in die bildhauerische Arbeit integriert.

Hans Knopper 1990

© 2022-2024. Alle Rechte vorbehalten.

 

Impressum
Angaben gemäß § 5 TMG
Hans Knopper M.A.
Görresstr. 4
41464 Neuss
Kontakt
Telefon: +49 (0) 170 8684040
Telefax: +49 (0) 2131 3688072
knopper@freenet.de
Redaktionell verantwortlich
Hans Knopper M.A.
Görresstr. 4
41464 Neuss

Datenschutzerklärung

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.