Kultur wirkt.

 

Hans Knopper M.A.

vorneweg - Bernd Glaser, Marcus Kaiser, Michalis Nicolaides

Kulturbüro der Stadt Solingen, Direktor Hans Knopper (Hrsg.): 
vorneweg. Bernd Glaser, Marcus Kaiser, Michalis Nicolaides.- 
Düsseldorf: Edition Wandelweiser 2007.- 
Texte: Rolf Reininghaus, Vera Rottes, Hartmut Hoferichter, Wolfgang Körber, Hans Knopper.-  84 S., 20 x 26 cm, Inklusive DVD "Marcus Kaiser: hörpanorama für Solingen 2006/2004".-
Katalogentwurf: Marcus Kaiser.- 
ISBN: 978-3-940192-01-1

Text von Hans Knopper: 

Selbstwahrnehmung
Diskussionen über die zeitgenössische bildende Kunst finden in Solingen selten öffentlich statt. Breiter wahrgenommen wird die aktuelle Kunstproduktion, wenn anlässlich von Ausstellungen oder von Preisvergaben die örtliche Presse über die Arbeiten berichtet, die das Atelier der Künstler als fertiges Kunstwerk verlassen haben. Der kreative Prozess, die Methoden, Absichten und Arbeitsstrukturen des Künstlers können vom Betrachter des abgeschlossenen Werkes höchstens rekonstruiert werden. Die Stadt sozusagen als offenes Atelier, als Denk- und Arbeitsraum, in dem nicht nur der Künstler nach künstlerischen Kriterien kreativ arbeitet, sondern an dem jeder beteiligt sein kann und soll, ist eine jener angenehmen Utopien, die den Gestaltungskräften größtmögliche Entfaltung ermöglichen wollen. Der Stärkung und der Vitalisierung der Kräfte, die in ihrer Summe städtisches Leben ausmachen, haben sich die Verantwortlichen in Solingen seit einigen Jahren verschrieben. So fiel das Kunstprojekt „vorneweg" mit seinem Ansatz, interessierten Teilen der Bevölkerung zweckfrei den praktischen Zugang auf das weite Feld der Selbstwahrnehmung und des eigenen künstlerischen Ausdrucks zu ermöglichen, auf fruchtbaren Boden.

Der Chorgesang hat in Solingen eine lange Tradition. Chorsänger und -sängerinnen für das Projekt „Hörpanorama" von Manus Kaiser gewinnen zu können, war daher aussichtsreich. Die Wahrnehmungsvorgänge während der Aufführung des Hörpanoramas unterschieden sich für Sänger und Zuhörer deutlich vom bisher Gewohnten. Die Stimme, der aufgenommene und weitergegebene Ton, veränderte die Wahrnehmung. Er geriet in Gegensatz zum Widerhall, zur Stille, zur allgemeinen Geräuschkulisse, definierte den Ort, durch den der Ton transportiert wurde. Die Stimme selbst war anders wahrzunehmen. Sie wurde zum Transporteur eines Tones, der konzentriert vom Vordermann akustisch gehört, aufgenommen und weitergegeben wurde. Die zeitlichen Abstände, in der die Töne weiter gesungen wurden, verkürzten sich bis zu einem wie durchgehend gesungenen Ton, der den Ort wie eine Klangskulptur anfüllte. Sänger/innen und Publikum erlebten den Ort für diesen Moment in einem wie lang ersehnten Gleichklang. Dabei unterschieden sich natürlich die akustischen Ergebnisse und auch die Festlichkeit der beiden zwei Jahre auseinander liegenden Aufführungen. Was sich allerdings nicht unterschied, war die unverwechselbare und so gesehen einmalige Ortsaneignung, die auf so vergängliche Art und Weise den Ort höhte.

Der Brückenschlag der Müngstener Brücke war Symbol für das Projekt „So linken:" von Michalis Nicolaides. Sein Brückenangebot an die Solinger rückte die Reflexion über die selbst erlebte emotionale Situation in der Stadt, in der Siedlung und in der Straße in den Mittelpunkt. Wer für sich selbst die jedermann sichtbare, besondere, räumlich begehbare Brückenverknüpfung mit einem Nachbarn verwarf oder unpassend und nicht sinnvoll fand, konnte fast immer auf einen Ort oder einen Menschen verweisen, für den man sich so etwas vorstellen konnte. Die Idee dieser besonderen Brücke machte so ihren Weg durch die Stadt. Auch wenn sich trotz der unendlich vielen Kontakte niemand finden lassen wollte, der den anonymen Straßenraum durch einen intimeren Weg durch die Luft überbrückt haben wollte, so ergab sich im Projekt doch eine schier endlose, fast unüberschaubare Kommunikationskette. Waren bei der Konzeption der Idee die Realisierungsprobleme wie Besitzverhältnisse, Statik und Genehmigungen als wichtiger Bestandteil erwartet worden, so stellte sich in der Realität das Netzwerk der Hinweise, der Verweise auf weitere Gesprächspartner, als wesentliches Merkmal dieses virtuellen Kunstprojektes heraus, zu dem so viele Beteiligte einen Teil beigetragen haben.

Bernd Glaser machte sich für sein Projekt „Plakat Solingen" auf die Suche nach Solinger Bürger/innen, die für die Realisierung einer visuellen Idee künstlerische Unterstützung oder Bereitstellung von Know-How benötigten. Bei Stadtbegehungen, Veranstaltungsbesuchen und in vielen Gesprächen mit Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen wurde die Idee gestreut und erläutert. Der künstlerische Ansatz erwies sich als besonders geeignet für die Darstellung von Inhalten, die von Gruppen getragen werden. Die zum Abschluss des Projektes „vorneweg" im Stadtgebiet geklebten Großplakate zeigen drei Bildsituationen von Gruppen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus. Ihre Ziele, die Intensität ihrer Bindungskraft, die Gemeinsamkeiten, die Rolle des Einzelnen, die Gruppenregeln, das gemeinsame Interesse treten unmittelbar bildlich hervor. Es sind Beispiele gelebter kultureller Aktivitäten, die über das Medium des Plakats selbstbewusst in die Stadt zurückwirken.

Die Partizipation und Verwicklung der Solinger Bürger/innen in die künstlerischen Prozesse des Kunstprojekts „vorneweg" hat zur guten Stimmung in der Stadt, die insgesamt durch die Regionale 2006 ausgelöst wurde, beigetragen. Selten zuvor sind so viele Solinger und Solingerinnen mit künstlerischen Ideen und Wahrnehmungsweisen ihre unmittelbare Umgebung betreffend befasst worden. Wenn das Bewusstsein für das kulturelle Vermögen und für das kreative Potential der Stadt erneuert wurde, ist damit ein Wunsch der Ideengeber für dieses Projekt Wirklichkeit geworden.

Hans Knopper 2007

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